Auch wenn die Senatorin zweifelt – nötig sind mindestens 160 Klassen, 200 Lehrkräfte und 30 SozialarbeiterInnen

Vorkurs

Unterricht in einem der derzeit 83 Vorkurse

Senatorin Claudia Bogedan zweifelte im Interview bei Buten un Binnen Arno Armgorts Zahlen an, nach denen er den zusätzlichen Personalbedarf an Schulen für die Flüchtlingsintegration berechnete. Allerdings, ohne eigene Zahlen zu liefern.

Wir haben noch einmal genau und unter Angabe unserer Quellen nachgerechnet:

Abschätzung des Bedarfs für die Flüchtlingsintegration im Schuljahr 2016/17

Vorbemerkung

Bei dieser Vorausberechnung geht es nicht um den aktuellen Bedarf an Vorkursen, sondern um den dauerhaften Zusatzbedarf in den Schulen über mehrere Jahre. Die Vorkurse dagegen müssen jeweils kurzfristig nach der Ankunft der Flüchtlinge eingerichtet werden. Ihre Gesamtzahl wird ca. 250 betragen.

Zahl der Kinder und Jugendlichen und zusätzlicher Finanzbedarf

Laut Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 10. November haben wir in der Stadtgemeinde Bremen im Jahr 2015 mit ca. 8000 Flüchtlingen plus ca. 3000 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zu rechnen. Es wird vom Senat geschätzt, dass von den 8000 Flüchtlingen ca. 20% schulpflichtig sind (also ca. 1600). Bei den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen gibt es immer eine gewisse Abwanderung. Daher lässt sich die Zahl, die in Bremen bleibt, nur schwer abschätzen. Im Jahr 2014 sind 495 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach Bremen gekommen, im Schuljahr 2014/15 wurden 344 in den Schulen aufgenommen. Verlängert man diesen Trend in die Zukunft, werden im Schuljahr 2016/17 von den ca. 3000 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ca. 2100 in den Schulen sein. Zusammen mit den Flüchtlingskindern aus Familien ergibt das 3700 SchülerInnen. GEW und Personalrat Schulen gehen angesichts des anhaltenden Flüchtlingsstroms (siehe auch die Senatsprognose vom 10. November) von insgesamt ca. 3700 bis 4000 Kindern und Jugendlichen aus. Der zusätzliche Finanzbedarf hierfür errechnet sich aus dem Bremer Durchschnittswert von 6300 € pro SchülerIn (Bildungsfinanzbericht des Statistischen Bundesamtes 2014 für Bremen). Er beträgt ca. 23 bis 25 Mio. €. Dieser Wert liegt im Stadtstaatenvergleich sehr niedrig (Hamburg und Berlin: 7400 € pro SchülerIn).

Zusatzbedarf in den allgemeinbildenden Schulen

Es wird weiterhin davon ausgegangen, dass die 1600 SchülerInnen, die zunächst in Vorbereitungsklassen gehen, im Schuljahr 2016/17 im allgemeinbildenden System in die Regelklassen übernommen werden (in der Primarstufe nach einem halben Jahr, in der Sekundarstufe nach einem Jahr; zum Teil sind sie jetzt schon mit einigen Stunden Klassen zugeordnet). Bei einer Richtfrequenz von 25 SchülerInnen pro Klasse besteht für diese 1600 SchülerInnen ein rechnerischer Zusatzbedarf von 64 Klassenverbänden. Diese Klassen können jedoch nicht auf einmal gebildet werden, da die Flüchtlingskinder sich auf sehr viele Standorte verteilen und nicht in isolierten Flüchtlingsklassen unterrichtet werden sollen. Neue (gemischte) Klassenverbände können im ersten und fünften Jahrgang gebildet werden. Außerdem müssen bei Überschreitung der Richtfrequenz an einer Schule neue Klassenverbände durch Teilung gebildet werden.

Bedeutend sicherer lässt sich der zusätzliche Lehrkräftebedarf errechnen. Er ergibt sich aus der derzeitigen Schüler/Lehrer-Relation. Diese lag in Bremen nach den neuesten verfügbaren Daten der Kultusministerkonferenz (KMK – Dokumentation 2015: Schüler-Klassen-Lehrer) im allgemeinbildenden System Bremens bei 13,7 SchülerInnen pro Lehrkraft. Der zusätzliche Bedarf beträgt hier also 116,7 Lehrer-Vollzeiteinheiten, wenn die Schüler/Lehrer-Relation nicht verschlechtert werden soll. Und dies ist unabdingbar: Bremen hat ohnehin im Vergleich zu den anderen Stadtstaaten und auch den meisten Flächenstaaten eine der schlechtesten Schüler/Lehrer-Relationen (Hamburg: 12,8, Berlin: 13,2, Niedersachsen: 13,5, Baden.Württemberg: 13,5, Bayern: 13,4, Hessen: 13,4). Diese 116,7 Stellen (zusätzlich zu den vom Bürgermeister versprochenen zur Minimierung des Unterrichtsausfalls und Absicherung der Inklusion) sind auch deshalb dringend notwendig, weil nach den ersten Erfahrungen die Flüchtlingskinder weiterhin gr0ßen Sprachförderbedarf haben, wenn sie aus den Vorkursen in die Regelklassen kommen.

Zusatzbedarf in den berufsbildenden Schulen

Hinzu kommt der Bedarf im berufsbildenden Bereich. Die ca. 2100 bis 2400 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge werden nach den Vorkursen zum größten Teil in Berufsvorbereitungsklassen gehen müssen. Hier beträgt die durchschnittliche Klassenfrequenz nach KMK – Daten 10,3 SchülerInnen. Würden alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge im Schuljahr 2016/17 in das BVJ übergehen, entstünde ein Zusatzbedarf von 233 Klassenverbänden. Bei einer aktuellen Schüler/Lehrer-Relation von 11,5 SchülerInnen pro Lehrkraft betrüge der Zusatzbedarf 208 Lehrer-Vollzeiteinheiten. Wir gehen jedoch davon aus, dass dieser Bedarf an BVJ-Klassen erst nach und nach entstehen wird und sind für das Schuljahr 2016/17 vorsichtig geschätzt von zunächst 100 Klassenverbänden ausgegangen, in denen gut 1000 SchülerInnen nach dem Besuch eines Vorkurses unterrichtet werden. Der Lehrkräftebedarf für diese Zahl von Klassenverbänden beträgt ca. 89 Lehrer-Vollzeiteinheiten. Hinzu kommt (gerade in diesem Bereich) die notwendige Neueinstellung von SozialarbeiterInnen. Angesichts des hohen Bedarfs bei den minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen muss hier eine Sozialarbeiterstelle für höchstens drei Klassenverbände angesetzt werden. (Dies wäre eine Ausstattung entsprechend derjenigen der Werkschule.) Das bedeutet für das Schuljahr 2016/17 einen Bedarf von ca. 33 zusätzliche SozialarbeiterInnen.

Zusammenfassung:

Es ist also für das Schuljahr 2016/17 von folgendem Zusatzbedarf auszugehen:

– 116,7 Lehrer-Vollzeiteinheiten  in den allgemeinbildenden Schulen

– 89 Lehrer-Vollzeiteinheiten und 33 SozialarbeiterInnen in den berufsbildenden Schulen

– Für die Bildung neuer Klassenverbände sind außerdem frühzeitig die Raumkapazitäten zu sichern. So dürfen geplante Umwidmungen oder Verkäufe von Schulraum auf keinen Fall mehr stattfinden.

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