Stellungnahme des Personalrats zum Wiedereinstieg in den sogenannten eingeschränkten Regelbetrieb 2020/21

Sehr geehrte Frau Dr. Bogedan,

Wir möchten zunächst betonen, dass der Personalrat Schulen sich explizit für eine Öffnung der Schulen ausspricht. Natürlich müssen die Risiken, welche die Pandemie mitbringt, gegen die Risiken und Nachteile, die Schülerinnen und Schüler durch Schulschließungen erfahren, abgewogen werden. Dabei müssen aber die gesundheitlichen Gefahren, die weniger den Schüler*innen selbst, sondern deren Familienangehörigen sowie den Beschäftigten drohen, in einem vertretbaren Rahmen bleiben.
Das von Ihnen vorgelegte Konzept zum Schuljahr 2020/21 unter Corona-Bedingungen enthält aus unserer Sicht Schwächen und diverse Aspekte bleiben leider unberücksichtigt.

Zusammenfassend sieht unsere Kritik wie folgt aus:

  • Der Gesundheitsschutz von Beschäftigten und Schüler*innen wird nicht ausreichend gewährleistet.

  • Es werden Ansprüche an die Schulen formuliert, die überhaupt nicht mit personellen Ressourcen hinterlegt sind.

  • Es fehlen konkrete Hinweise zum Umgang mit Unterrichtsinhalten, insbesondere im Hinblick auf Prüfungen im Schuljahr 2020/21.

Hier unsere Kritikpunkte und Hinweise im Einzelnen:

Zum Kohortenprinzip und Hygienemaßnahmen:
Mit dem Verzicht auf das Abstandsgebot in Klassenräumen, werden die Hygienestandards, die in anderen Berufen und Gesellschaftsbereichen gelten, deutlich unterschritten und höhere Ansteckungsrisiken werden dabei in Kauf genommen. Wir erwarten, dass dies auch von Ihrer Seite klar so benannt wird.
Das Kohortenprinzip soll nun an die Stelle des Abstandsgebotes treten und eine Ausbreitung möglicher Infektionen auf bestimmte Gruppen beschränken.
Die in Ihrem Konzept umrissenen Kohorten sind dazu aber aus verschiedenen Gründen ungeeignet. Zum einen können sie, in Abhängigkeit von der Zügigkeit der Schule, schon von vornherein sehr groß sein und die Lehrkräfte sollen sich zwischen den Kohorten bewegen, zum anderen werden viele Ausnahmen beschrieben. Sie schreiben zwar, dass bei der Erstellung des Stundenplans bestimmte Aspekte berücksichtigt werden sollen, aber entkräften diese durch Formulierungen wie „Reduktion der Lehrkräfte pro Kohorte im Rahmen des Möglichen“ gleich wieder. Und es bleibt völlig unklar, wie dieses „Mögliche“ eigentlich definiert ist und ob dies jemand überprüft. Eine wirksame Beschränkung auf überschaubare Gruppen wird auf diesem Weg nicht erreicht.

Mangelnde Information der Beschäftigten
An dieser Stelle möchten wir scharf kritisieren, dass es bei Corona-(Verdachts-)Fällen, keine Information der Beschäftigten geben soll, die in der betroffenen Lerngruppe unterrichten oder pädagogisch tätig sind. Sie berufen sich dabei auf den Datenschutz – obwohl die Nennung von Namen gar nicht notwendig ist – und verweisen an die festgelegte Vorgehensweise des Gesundheitsamtes in solchen Fällen.
Angesichts der Tatsache, dass Beschäftigte im öffentlichen Dienst ohnehin einer besonderen Verschwiegenheitspflicht unterliegen und eine Infektion mit Covid-19 auch keine Stigmatisierung nach sich zieht, wie dies bei bestimmten anderen Erkrankungen der Fall sein mag, können wir diese Vorgehensweise nicht nachvollziehen. Wenn die Kolleg*innen, die in den Klassen eingesetzt sind, nicht erfahren, dass sie möglicherweise einem erhöhten Ansteckungsrisiko ausgesetzt waren, nimmt man ihnen die Chance, ihr Verhalten dem anzupassen, also z. B. gegenüber Angehörigen, die zur Risikogruppe gehören, vorübergehend mehr Abstand zu wahren.

Lüften der Unterrichtsräume
Sie schreiben, regelmäßiges Lüften minimiere das Ansteckungsrisiko innerhalb der Kohorten. Von „minimieren“ im Wortsinne – also auf ein Minimum senken – kann wohl kaum die Rede sein. Eine solche Formulierung erweckt den Eindruck, regelmäßiges Lüften allein reiche aus, um das Ansteckungsrisiko in einem voll besetzten Klassenraum so weit zu verringern, dass es kaum noch eine Rolle spielt. Offensichtlich ist, dass viele Räume nur schlecht zu belüften sind – eine konkrete Übersicht über die Raumsituation in den Schulen fehlt bisher. Außerdem ist unbekannt, wie sich die Aerosole in den unterschiedlichen Räumen verteilen und halten. Die Schulen und Kollegien sind mit diesem Problem weitgehend allein gelassen. Begehungen und Einschätzungen durch den Arbeitsschutz, die eigentlich schon während der Sommerferien stattfinden sollten, sind dringend notwendig. In den Räumen, in denen die erforderliche Lüftungsmöglichkeiten nicht gegeben sind, muss schnellst möglich nachgebessert werden. Bis dahin darf in diesen Räumen kein Unterricht stattfinden.

Lüften allein kann aber die Ansteckungsrisiken in einem Klassenraum, in dem auf das Abstandsgebot verzichtet wird, nicht ausreichend verringern. Dazu ist eine Maskenpflicht innerhalb der Klassenräume notwendig. Wir hoffen, dass diese – angesichts aktuell wieder steigender Infektionszahlen – vom Senat beschlossen wird. Zumindest erwarten wir, dass die Bildungsbehörde die Schulen, in denen vor Ort eine Maskenpflicht beschlossen wurde, bzw. Kolleg*innen, die das in ihrem Unterricht umsetzten wollen, in ihrer Entscheidung stützt.

Zu den Curricularen Inhalten:
Wir möchten zunächst begrüßen, dass kein Unterrichtsfach entfällt und der ganzheitliche Bildungsanspruch nicht in Frage gestellt wird.

Abitur und zentrale Abschlussprüfungen
Insbesondere im Hinblick auf die Prüfungen im ohnehin sehr kurzen Schuljahr 2020/21 sind dringend verbindliche Anpassungen erforderlich. Es ist schlicht nicht möglich in den schon unter „normalen“ Umständen personell unterversorgten Schulen, die durch die Schulschließungen versäumten Inhalte nachzuholen und den wesentlichen Unterrichtsstoff des kommenden Schuljahres zu vermitteln.
Die Anpassungen des Lernstoffs in jede einzelne Schule zu verlagern, ist angesichts zentraler Abschlussprüfungen nicht zielführend.
Wir erwarten, dass es – wie in Niedersachsen bereits geschehen – verbindliche Aussagen der Bildungsbehörde gibt, welche Inhalte im Abitur entfallen. Das gilt natürlich auch für die übrigen Prüfungen. Außerdem wäre eine zeitliche Synchronisierung der Inhalte anzustreben, damit, sollte es z. B. durch Quarantäne oder Lockdown zu unterschiedlichen Lernständen zwischen Schüler*innen kommen, falls notwendig Inhalte entfallen können, ohne dass es zu Benachteiligungen kommt.

Curriculare Anpassungen sind notwendig
Auch für die nicht direkt prüfungsrelevanten Unterrichtsinhalte muss es verlässliche Hinweise geben, was entfallen kann. Das niedersächsische Kultusministerium hat zum „Umgang mit coronabedingten Lernrückständen“ vom 7. 8. 2020 ganz konkrete Inhalte benannt.

Für Bremen gibt es zwar seit dem vergangenen Freitag Hinweise zu den Fächern, aber in den meisten Fällen, werden keine Themengebiete benannt, die entfallen können und die Probleme werden in die einzelnen Fachkonferenzen der Schulen verlagert. Das führt aus unserer Sicht zu einem weiteren Auseinanderdriften von Standorten und zu vermeidbarer Mehrarbeit für die Kolleg*innen.

Zur Schulischen Planung des Schuljahres:
Unter diesem Punkt werden diverse – pädagogisch sicher sinnvolle – Maßnahmen benannt, die jedoch überhaupt nicht mit personellen Ressourcen hinterlegt sind. Schon für die unter normalen Bedingungen anstehenden Aufgaben sind die Schulen massiv unterversorgt mit Fachkräften und Reserven für weitere Aufgaben gibt es schlicht nicht.
An den meisten Schulen fallen seit vielen Jahren regelmäßig unbezahlte Überstunden an und nach wie vor werden Sonderpädagog*innen aus der Doppelbesetzung genommen, damit kein Unterricht ausfällt. Gut 500 Personen arbeiten derzeit als Lehrkräfte in den Schulen, die entweder noch studieren oder noch kein Referendariat begonnen haben.

Wie die aufgeführten Maßnahmen ohne zusätzliches Personal umgesetzt werden sollen, bleibt rätselhaft und erweckt den Eindruck, dass das Konzept eher ein politisches Statement ist als ein realistischer Leitfaden für die Schulen.

Beispiele für zusätzliche Aufgaben, die nicht mit Personal hinterlegt sind:

  • Schüler*innen, deren Leistungen aufgrund der Schulschließungen hinter den Regelstandards zurückgeblieben sind, sollen über das ganze Schuljahr hinweg eine intensive Förderung erhalten.
  • Zusätzliche Unterstützungsangebote in Kleingruppen sollen für die Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, für Schüler*innen der Vorkurse und Schüler*innen mit anderweitigen Benachteiligungen beim Lernen organisiert werden.
  • Neben Präsenzunterricht und Förderangeboten soll es, wenn Bedarf besteht, weiterhin Betreuung geben.
  • Dazu sollen „digitale Kompetenzen, Selbstlernkonzepte und tragfähige Kommunikationsstrukturen vermittelt und aufgebaut werden.“
  • Distanzunterricht soll konzeptionell erarbeitet werden, digital und analog, die Eltern sollen darauf vorbereitet und die individuelle Situation der Schüler*innen zuhause dabei berücksichtigt werden.

Diese Aufzählung ließe sich noch eine Zeit lang fortführen.
Wir möchten dazu zurückmelden, dass die Kolleg*innen sicherlich ihr Möglichstes tun werden um die negativen Folgen der Schulschließung und der Pandemie so gering wie möglich für die ihnen anvertrauten Schüler*innen zu halten. Das haben sie mit hohem Engagement auch in der schwierigen Zeit getan, in der es gar keine Konzepte für den Umgang mit dieser außergewöhnlichen Situation gab.

Niemandem ist geholfen mit einem unrealistischen auf Außenwirkung abzielenden Konzept.

Was die Kolleg*innen jetzt brauchen ist eine realistische Einschätzung der zur Verfügung stehenden Arbeitskraft, klare Ansagen, welche Aufgaben z. B. zugunsten individueller Förderung entfallen und welche curricularen Inhalte in diesem Schuljahr gestrichen werden können.

Die Frauenbeauftragte Schulen und die Schwerbehindertenvertretung schließen sich dieser Stellungnahme an.

Mit freundlichen Grüßen

Angelika Hanauer
Vorsitzende

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